Im Oktober des Jahres 2008 erreichte eine Bitte des damaligen Erzbischofs der Evangelisch Lutherischen Kirche in Russland und andern postsowjetischen Staaten (ELKRAS), Dr. Edmund Ratz, die Kirchenleitung unserer Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien (EKR). Gegenstand dieser Bitte war die Schenkung eines Taufbeckens an die evangelische Sankt Peter- und Paulsgemeinde in Moskau.

Nach der „Perestroika“ wurde in der ehemaligen Sowjetunion die evangelische Kirche wieder ins Leben gerufen. Diese Kirche blickt auf eine lange Tradition zurück. Vor allem unter Katharina der Großen zog es viele deutsche Siedler ins Zarenreich, darunter zahlreiche Protestanten aus Preußen und Süddeutschland. Privilegien und Grundbesitz waren die Hauptmotivation. So kam es, dass unter den Zaren auch der Protestantismus neben der großen orthodoxen Mehrheitsbevölkerung einen festen Stand in der russischen Gesellschaft fand. Diesem setzten der Stalinismus und die nachfolgenden kommunistischen Jahre ein Ende. Gemeinden wurden zerschlagen, die Kirchengemeinden vollkommen enteignet, ihre Menschen verschleppt, entweder in die sibirischen Arbeitslager bis zum Polarkreis oder in die zentralasiatischen Steppen.

Nach dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ und dem Zerfall der Sowjetunion war ein Wiederaufbäumen wieder möglich. Dieser Neuanfang sollte aber kein einfacher sein. Als erstes galt es die noch bestehenden Sakralbauten zurückzugewinnen. So geschah es auch in Moskau. Die Sankt Peter- und Paulkirche hat die kommunistische Zeit überdauert. Zu sowjetischen Zeiten diente die Kirche als Diafilmstudio. Besitzer der Kirchengebäude ist im heutigen Russland immer noch der Staat, Nutznießer aber die verschiedenen Kulte, die sich zeitgerecht nach der Wende eintragen konnten. Es hat seine Zeit gebraucht und einiges an finanziellem Aufwand die Peter- und Pauluskathedrale wieder ihrem ursprünglichen Zweck zu widmen. Der Sakralbau wurde gründlich saniert und konnte dann am 1. Advent 2008 wieder eingeweiht werden. Nur fehlte es an kirchlichen Ausrüstungsgegenständen. So erging nun dieser Hilferuf an unsere Landeskirche. Dieses Taufbecken sollte nicht nur einen geschenkten Gegenstand unsererseits darstellen, sondern es sollte auch symbolisch dastehen als Bindeglied zwischen den beiden Schwesterkirchen. Als Kirchen in der osteuropäischen Diaspora hat man so manches gemeinsam: die politische Vergangenheit oder die Abwanderung zahlreicher Kirchenkinder in den Westen. Beide Kirchen teilen ein gemeinsames Ziel: Zukunft. Was weist mehr in die Zukunft als ein Taufbecken, wo junge Menschen in die Hände Gottes gelegt werden und in den Schoß der Gemeinde.

Nach einigen Beratungsgesprächen im Landeskonsistorium erwies sich das Taufbecken der Kirchengemeinde Abtsdorf bei Agnetheln als würdiges Geschenk an die Gemeinde in Moskau. Das Taufbecken aus Abtsdorf stammt aus dem Jahr 1856 und ist in spätbarockem Stil aus Holz geschnitzt. In Abtsdorf wurde schon seit mehr als einem Jahrzehnt kein Gottesdienst mehr gehalten. Die wichtigen kultischen Gegenstände wurden geborgen und im Zentralarchiv der Landeskirche aufbewahrt.

Die Ausfuhr des Taufbeckens nach Russland erwies sich aber als ein sehr schwieriges Unterfangen. Es galt Genehmigungen einzuholen von den verschiedenen staatlichen Behörden. Archivar Hans Jürgen Binder übernahm diesen Auftrag. Es sollte viel Zeit, Kraft und Ausdauer in Anspruch nehmen um bei den Behörden letztendlich die nötigen Dokumente in Händen zu halten. Dieser Prozess hat aber seine Zeit gebraucht. So fanden sich Vorboten für das Taufbecken: im September 2009 machte sich eine Gruppe junger Erwachsener auf den Weg in den Osten unter der Leitung von Pfarrer Dr. Stefan Cosoroaba und Pfarrer Uwe Seidner und besuchten u.a. Erzbischof Dr. Edmund Ratz in Sankt Petersburg und die evangelische Kirchengemeinde Moskau. Im Mai 2011 waren Vertreter der Kirchengemeinden Wolkendorf, Neustadt und Weidenbach zu Gast bei den Glaubensgeschwistern in Osten. Anlässlich dieses Besuches wurde in Moskau nochmals der Wunsch nach dem Taufbecken von dem neugewählten Bischof der Evangelischen Kirche Europäisches Russland, Dietrich Brauer, noch einmal bekräftigt.

Am 17. September dieses Jahres sollte es soweit sein. Mit allen Genehmigungen in der Hand soll das historische Taufbecken nach Moskau überführt werden. Als Transportmittel wurde ein Cargo Flugzeug der russischen Fluggesellschaft Aeroflot gewählt. Eine dreiköpfige Abordnung unserer Landeskirche machte sich auf den Weg. An Bord: Prof. Dr. Hermann Pitters, Pfarrer Uwe Seidner und Archivar Hans Jürgen Binder.

In Moskau angekommen stellten sich neue Schwierigkeiten in den Weg: der russische Zoll. Russland ist halt nicht Europa. Das Taufbecken musste also noch eine Weile in Gewahrsam bleiben, bis es sein Ziel erreichen sollte. Neben den Formalitäten die noch erledigt werden mussten, blieb doch noch genug Zeit um Gemeinde und Stadt kennenzulernen. Wir trafen Bischof Dietrich Brauer, den ehrenamtlichen Rechtsanwalt der ELKER Hans Schwahn, stellvertretende Pröbstin Elena Bondarenko, Pastor Andrej Bobyljow und einer Vertreterin des Gemeindekirchenrates. Wir erfuhren viel über die Gesamtlage der Evangelischen Kirche im Europäischen Russland, über die Bedürfnisse der Gemeinden und ihrer Glieder aber auch über die Gemeindeaktivitäten der Kirchengemeinde Sankt Peter und Paul in Moskau. Auch wurde der Wunsch auf Partnerschaften geäußert. Es gibt auch heute noch viele Kirchengemeinden die keine Partnergemeinde haben. Das kirchliche Leben in Moskau ist sehr lebendig und auch bunt gefächert. Es gibt Kinder- und Jugendarbeit. Es gibt Bibelstunden und einen wöchentlichen Abendgottesdienst jeden Donnerstagabend. Es werden Familienfreizeiten organisiert u.v.m. Regelmäßig finden auch Orgelkonzerte an der Sauerorgel statt. Diese sind sehr gut besucht. Zu anderen Konfessionen gibt es auch gute ökumenische Beziehungen. Die Kirche selber darf auch von anderskonfessionellen genutzt werden. Beliebt ist die Kirche auch bei Trauungen und kann für diesen besonderen Anlass gemietet werden.

Am 17. Sonntag nach Trinitatis überbrachten wir im Gottesdienst ein Grußwort seitens unserer Landeskirche. Das Taufbecken konnten wir noch nicht aushändigen. Es lag noch beim russischen Zoll. Letztendlich konnte es zum Erntedankfest am 7. Oktober 2012 im Gottesdienst in der Moskauer Peter- und Paulkathedrale vorgestellt und eingeweiht werden.

Wir blicken nun auf ein schwieriges Unterfangen zurück, dass wir aber Erfolgreich zu Ende bringen konnten. Wir sehen aber auch mit Dankbarkeit auf die letzten drei Jahre zurück in denen einige Kräfte mobilisiert werden konnten. Dadurch wurde dieses Vorhaben erst ermöglicht. Das Abtsdorfer Taufbecken hat sein Ziel in Moskau erreicht.

Uwe Seidner / Wolkendorf