Vom 15. – 22. November 2009 fand in Skopje / Mazedonien ein Treffen des Ökumenischen Jugendrates in Europa (EYCE) statt. Auf der Tagesordnung stand das Thema: „Fundamentalismus kontra Menschenrechte“. Zu diesem Seminar reisten Teilnehmer aus mehren Ländern an: Dänemark, Litauen, Lettland, Polen, Tschechien, Ungarn, Kroatien, Bosnien, Bulgarien, Großbritannien, Frankreich, Schweiz und sogar eine Teilnehmerin aus der USA. Zusammen mit Hans-Bruno Roth / Schässburg und Tibor Konrad / Heltau nahm ich bei diesem Seminar teil.
Der Ökumenische Jugendrat, mit Sitz in Brüssel, lädt regelmäßig junge Christen aller Konfessionen ein, um sich mit einem bestimmten Thema auseinanderzusetzen. Dieses mal waren auch Moslems dabei und so entstand ein interreligiöser Dialog. Das Thema, um das man sich sammelte, lautete: „Fundamentalismus kontra Menschenrechte“.
Der Ökumenische Jungendrat hat 2008 eine Kampagne zur Vorbeugung von Fundamentalismus in Zusammenarbeit mit dem Forum islamischer Jugend- und Studentenorganisationen in Europa (FEMYSO) gestartet. Der Fundamentalismus ist in den vergangenen Jahren in Europa zu einer zunehmenden Bedrohung geworden. Die Menschenrechte eines jeden Einzelnen sind in Gefahr. Genau so können Landesregierungen Menschenrechte ignorieren, indem sie den Schutz der Rechte verschiedener Minderheiten verweigern oder die Regeln für die Einreise von Ausländern verschärfen mit dem Argument dadurch die Werte des Landes zu schützen. Es kommt zu Diskriminierung.
EYCE hat nun eine Kampagne gestartet, durch die Vorurteile und Diskriminierung überwunden werden sollen. In Ausbildungskursen sollen junge Christen vorbereitet werden verschiedene Mittel anzuwenden um die Menschenrechte zu schützen. Sie sollen Multiplikatoren dieser Werte werden. Das wichtigste Ziel der Ausbildung ist der konstruktive Dialog. Nur so kann die Zusammenarbeit verschiedener Völker, Kulturen und Religionen gefördert werden: eine Zusammenarbeit im Auftrag der Menschheit und der Menschlichkeit.
In Skopje, der Hauptstadt Mazedoniens, in der auch die selig gesprochene Mutter Theresa ihren Geburtsort hat, fand nun das dritte interreligiöse Treffen der Kampagne statt. In Volos / Griechenland und Pogradec / Albanien hat man sich die vorigen Male zusammengesetzt und die ersten Bausteine gelegt.
Berichterstattung, Arbeitseinheiten und Vorträge füllten das Tagesprogramm aus. Sehr interessant waren all die Berichte der Teilnehmer über Minderheitenproblematik, die Menschrechte, aber auch über den religiöse Fundamentalismus in den verschiedenen Ländern. Durch verschiedene Übungen wurden wir der Realität in verschiedenen Ländern ausgesetzt. So zum Beispiel mussten wir als Immigranten vor einem „französischen Kommissar“ die Beweggründe unserer Flucht aus dem eigenen Land und der Asylbewerbung in dem europäischen Land aufzuzeichnen. Das kann sich als sehr schwierig gestalten: „Eine bessere Zukunft für meine Kinder…“ So eine Aussage gilt nicht. Auch mit der Frage nach dem Minarettverbot in der Schweiz setzten wir uns auseinander. Es ist schwierig eine pro oder kontra Antwort zu geben. Die Frage wurde zur Wahl gestellt, was natürlich demokratisch ist. Die Bevölkerung hat entschieden…
Sehr intensiv lernten wir die fremden Kulturen und Nationen am Länderabend kennen: kulinarisch und musikalisch. Aus jedem Land wurden Spezialitäten aufgetischt und das Land vorgestellt. Aus Siebenbürgen durfte natürlich der Speck mit Zwiebeln und die Zakuska nicht fehlen.
Obwohl die Moslems bei dem Seminar in der Minderheit waren, mussten wir sehr viel Rücksicht auf sie nehmen. Sie haben ja fixe Gebetszeiten die eingehalten werden müssen. Dabei frage ich mich: zur Akzeptant gehört nicht auch dass man sich auch nach der Mehrheit richtet bzw. Rücksicht auf die anderen nimmt? Wir als liberale Evangelische würden doch sofort sagen, dass die Zeiten doch flexibel sein sollten. Der Mensch ist ja nicht für den Sabbat geschaffen, sondern der Sabbat für den Menschen…
Obwohl es nur einige islamische Teilnehmer gab, ist der Balkan doch das Gebiet des sogenannten „Euro-Islam“. Ein großer Teil der Bevölkerung im Balkangebiet ist muslimisch. Die Osmanen, die 500 Jahre in diesen Gebieten das sagen hatten, haben deutlich ihre Spuren hinterlassen. So gehört heute ein großer Teil der bosnischen, albanischen und mazedonischen Bevölkerung dem Islam an. Das erklärt auch die Tatsache, dass die Altstadt von Skopje von Minaretten gespickt ist.
Auf dem Programm stand auch ein Moscheebesuch bzw. die Teilnahme an einem islamischen Gottesdienst. Es war Freitag Mittag als ich das erste mal sich richtig das Balkangefühl im regen Verkehrstreiben in Richtung Innenstadt spüren durfte. Es war spannend. Kaum hat man einen Parkplatz gefunden ertönte schon der Gebetsruf des Muezzin, der zeitgleich von mindesten acht verschiedenen Minaretten zu hören war. Im Nu wurden alle Läden geschlossen, jeder hörte mit dem auf was er gerade tat, legte alles hin und eilte zu einer der vielen Moscheen. Irgendwie erinnerte mich das rege Treiben an eine Geschichte aus meiner Kindheit…
Wir drei Siebenbürger begaben uns in eine große Moschee. Zuerst zogen wir uns aber die Schuhe aus. So gehört es sich. Unheimlich viele Männer waren präsent. Die gelebte Frömmigkeit der Muslimen ist sehr beeindruckend. Es taten sich uns aber doch viele Fragezeichen auf. In vielen verschiedenen christlichen Kirchen Europas würde man sicherlich von so einer Präsenz träumen…
Der Ausflug in die Berge Mazedoniens soll nicht unerwähnt bleiben. Diese sind nämlich wunderschön und der Tag am Stausee zu dem wir fuhren, hat sich auf jeden Fall gelohnt, obwohl der Busfahrer, mit dem wir da hingefahren sind, uns da hat sitzen lassen. Vielleicht war ihm eingefallen, dass noch eine weitere Gruppe in Skopje chauffiert werden muss. Das war nicht so schlimm, da wir ja diese malerische Landschaft mit dem Fluss, der einen Canyon in die Berge gefressen hat, und der in einem Stausee mündet, vor uns hatten. Kann es möglich sein, dass ich dieses Bild in den schönen alten Winnetoufilmen, die in den sechziger Jahren im damaligen Jugoslawien gedreht wurden, schon mal gesehen habe?
Der Tag nahm doch einen guten Ausgang. Mit Verspätung aber mit Taxis, kamen wir doch noch zu einer Einrichtung in Skopje, die den interreligiösen Dialog fördert. Nach dem Bürgerkrieg im Balkan war das eine sehr heikle Sache. Trotzdem arbeiten diese Leute seit einigen Jahren erfolgreich an verschiedenen Projekten und werden sogar von der Europäischen Union gefördert. Es wird noch so einiges in Mazedonien gefördert, da sie Anwärter für die Aufnahme in die Europäische Union sind.
Es könnte noch sehr viel gesagt werden zu all dem erlebten. Abschließend möchte ich nur noch folgendes sagen: einen interreligiösen Dialog führen zu können ist ein guter Ansatz Vorurteile und Diskriminierung aus der Welt zu schaffen. Dabei sollte man aber nicht vergessen Profil zu zeigen. Wenn alles zu schwammig wird, wird man nicht ernst genommen. Man führt einen Dialog, aber die eigenen Werte müssen genauso wie die der Moslems o.a. im Vordergrund bleiben. Damit ein Dialog überhaupt existieren kann, muss dieser auf gleicher Ebene, aus gleichen Positionen geführt werden. Wir sind berufen die christlichen Ideale zu vertreten und das sollen wir auch tun. Man muss nicht nur den anderen, den Fremden akzeptieren, man muss auch selber von den anderen akzeptiert werden.
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Uwe Seidner / Wolkendorf